Dass aber dieses Mal die Wetterumstände schon bei der Anreise das größte Problem darstellten, war in der Form so nicht zu erwarten. Früher Vogel fängt den Wurm; die Hartgesottenen, die sich gute Stellplätze auf den unterschiedlichen Campingarealen sichern wollten, standen am Anreisetag schon mit der Morgendämmerung vor den Toren. Wohl dem, der um 11.15h entweder seine Zelte schon fertig aufgebaut hatte oder trocken im Camper saß - denn dann tobte ein heftiges Unwetter über dem Gelände und nichts ging mehr. Die Verfasserin gehörte zu den glücklich früh Angereisten; gerade auf den Acker fürs Wohnmobil gefahren, sahen wir schon die Zelte und Pavillons des nächstgelegenen Platzes wie Spielzeug durch die Gegend fliegen. Der Ordner winkte uns noch hektisch in die Campingreihe - um sich hinterher sofort schützend ins nächste Auto zu begeben. Die schwarze Wand öffnete die Schleusen und der Hurricane war da.
Mit ungläubigem Staunen beobachteten wir, was vor sich ging, bedauerten die Veranstalter, die schon wieder mit dem denkbar größten Gau starteten - und ein kleines bisschen auch uns, denn nix war es mehr mit trockenem Gelände.... An eine Freigabe des Platzes war für den Rest des Tages nicht mehr zu denken, hinter uns auf den Acker gefahrene Camper, die wohl oder übel auf der Zufahrt stehen bleiben mussten, hatten größte Mühe, sich aus den aufgeweichten Wegen zu befreien. Zumindest aus dem Norden der Republik war auch kaum mehr eine Anreise möglich. Ein Tornado hatte für Massen an umgestürzten Bäumen gesorgt, und Festivalbesucher, die auf die Anreise per Bahn angewiesen waren, hatten zum Teil noch am Folgetag große Probleme, überhaupt nach Scheeßel zu kommen.
Nachdem das Unwetter vorbeigezogen war, kam die Sonne wieder heraus und die Party konnte losgehen. Jeder saß bei jedem, hier ein Bier, da ein Jägermeister, und riesige Partyzelte, bassgeschwängerte Boxen, ganze Couchgarnituren wurden aufgebaut. Gummistiefel haben definitiv eine Daseinsberechtigung - nie waren sie so wertvoll wie zur Festivalzeit, zumindest, wenn es Hurricane heißt. Wetter- und komplikationsbedingt war es am Donnerstag noch recht ruhig, man merkte, dass noch viele Besucher fehlten. Ein entspanntes Warm Up auf der White Stage und im Partyzelt stimmten auf die Folgetage ein.
Das wichigste -neben den Gummistiefeln- war, den Zeitplan bei sich zu haben. Zumindest, wenn man zu den "ernsthaften" Festivalbesuchern zählte, die ab und an auch mal eine Band sehen wollten. Auf dem Areal für Wohnmobile und Camping-Vans hatte man hingegen durchaus den Eindruck, dass einige Grüppchen viel mehr Spaß daran hatten, sich selbst zu feiern als das Festival an sich. Gefühlt verließen sie ihre Wohnwagen, zusammengeflickte Unterkünfte oder sogar umgebaute Lastwagenanhänger nie. Musik bis morgens um 6 Uhr - und ab 6 Uhr morgens. Aber die Ohrstöpsel sollte ohnehin jeder im Gepäck haben und Schlaf wird überbewertet. Das Festivalvolk tickt halt anders.
Freitag dann endlich der Startschuss für die ersten Auftritte. Und der Zeitplan - war fast Nebensache. Man landete teilweise bei ganz anderen Gigs als geplant; manche Bands/Künstler, die man unbedingt sehen wollte, entpuppten sich als uninspirierte Ich-spiel-hier-nur-mal-schnell-meinen-Stiefel-herunter-Langweiler oder als für Ü40 einfach ungeeignet. Kindergarten war früher. Dafür "schockte" so manche andere Entdeckung. Musik, die zu Hause vielleicht nie angehört würde, war live der absolute Hammer, und insbesondere noch etwas unbekanntere Bands, entzückt von den großen Menschenmengen, entwickelten eine dermaßene Spielfreude, dass man teilweise das Gefühl hatte, etwas ganz Großem beizuwohnen. Zwischendurch immer mal wieder das typische Hurricane-Feeling (Regen!), ein Boden, der einfach nicht besser werden wollte und zur Schlammwüste ausartete, notdürftig mit riesigen Mengen Stroh der ansässigen Landwirte überdeckt und die Frauen-Erkenntnis, dass Dixi-Klos doch betreten werden, wenn es gar nicht mehr anders geht. Auch die permanent und überall zu riechende grüne Wolke fiel spätestens am Samstag gar nicht mehr auf.
Nach dem Festival ist vor dem Festival. Trotz des Eindrucks, dass die Organisation mitunter nicht die perfekteste war, musste man einfach dabei sein. Ein klein bisschen Bequemlichkeit (Camper-Van statt Zelt) sei erlaubt. Genau wie der Aufruf an alle, die es mit der Sauberkeit nicht so ganz genau nahmen: Leute, es gibt sie! In blau, grün oder schwarz, mit Zugband, stabil und großem Volumen- man nennt sie Mülltüten. Peace und bis zum nächsten Jahr!